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Gymnasium Wendelstein

In der Gibitzen 29 • 90530 Wendelstein • 09171 81 88 00

Frauen, Männer und das Ewige Eis. Was Männer und Frauen voneinander lernen können

10. Wendelsteiner Forum

Darüber sprach Birgit Lutz in ihrem Vortrag am Donnerstag, den 24.Oktober 2024, um 19 Uhr in der Aula des Gymnasiums Wendelstein.

Die Vortragsreihe Wendelsteiner Forum findet in Zusammenarbeit mit der Katholischen Erwachsenenbildung statt. Die KEB wird heuer 50 Jahre alt.

15 Jahre lang schrieb Birgit Lutz, ausgebildete Journalistin, für die Süddeutsche Zeitung. Seit 2015 ist sie selbständig, organisiert Expeditionen, schreibt Bücher, hält Vorträge und mitinitiiert Projekte.

Müll in der Arktis

Sehr eng arbeitet sie mit dem Alfred-Wegener-Institut (AWI) für Polar- und Meeresforschung im Bremerhaven zusammen. Seit 2016 befasst sie sich mit Daten über Spitzbergen, die für wissenschaftliche Veröffentlichungen sehr nützlich sind. Ein Strandabschnitt wird ausgemessen, der Müll eingesammelt und kategorisiert. Die einzelnen Teile werden gezählt und der Standort mitgeteilt.

Mittlerweile berichteten darüber der Spiegel, verschiedene Fernseh- und Radiosender, sogar die New York Times. Über die Ergebnisse gibt es zudem eine wissenschaftliche Veröffentlichung im Marine Pollution Bulletin Ausgabe 1–2, Dezember 2017. Bürgerwissenschaftler zeigen: Meeresmüll verschmutzt die arktischen Strände und beeinflusst das natürliche Leben.

Expeditionen

Frau Lutz sprach über Situationen, in denen sie immer wieder gemerkt hatte, dass Frauen sich selbst weniger zutrauen als Männer. Sie selbst stellte sich ebenfalls viele Fragen im Vorfeld einer Reise nach Grönland: Soll sie es machen, schafft sie es überhaupt mit den Männern mitzuhalten - bis ihr norwegischer Freund Bengt Rotmo zu ihr sagte: ‘‘You're such a woman.“

Geschlechterbild

Die Realität auf Touren sieht Birgit Lutz so: Frauen fangen an den Fehler bei sich zu suchen, wenn sie etwas nicht schaffen oder nicht mitkommen. Männer finden einen Grund, warum es nicht klappt. Es liegt nie an ihnen. Es ist zu kalt oder zu heiß. Es liegt am Schnee. Es gibt keinen Grund an sich zu zweifeln.

Die Autorin betonte, dass wir tatsächlich immer noch über solche Themen sprechen müssen wie eine Bundestagsdebatte in jüngerer Vergangenheit zeigte, in der es darum ging, ob Vergewaltigungen in der Ehe in Ordnung sind.

„Wenn ich für Menschenrechte stimmen möchte, muss ich gut überlegen, wofür ich mich entscheide“, betonte Birgit Lutz. Jede Frau sollte sich darüber informieren, was die einzelnen Parteien mit Frauen vorhaben, empfahl sie. Die Forscherin sprach über die Satzungen von Parteien im Hinblick auf Frauenrechte, das Selbstorganisationsrecht für Frauen und das Abtreibungsrecht. Das Schuldprinzip bei Ehescheidungen könnte zurückkehren, Gender-Projekte könnten gestoppt werden, in denen es nicht nur um das Gendern, sondern auch um Projekte geht, die beiden Geschlechtern in der Medizin helfen könnten.

Birgit Lutz nahm uns zudem mit auf eine Reise in die Vergangenheit, in die 50er-Jahre und in das Jahr 1977. In die Vergangenheit, die wieder Zukunft sein könnte.

„Was deine Sprache dir nicht vormacht, das gibt es für dich nicht“

Grönländisch ist eine gesprochene Sprache, welche seit Jahrtausenden nicht aufgeschrieben wurde.Die Ostgrönländer müssen am Ende ihrer Schulzeit für ein Jahr nach Dänemark. Wale, Forellen, Eis, Schnee, Fluss - dafür gibt es Wörter in den verschiedensten Varianten, aber es gibt kein Wort für zum Beispiel Bäume, Einwohnermeldeamt und Steuererklärung.Für die Gegenwart fehlen dieser Sprache wichtige Wörter. „Sprache bestimmt das Denken“ sagte die Journalistin. Wie wahr.

Was richten Wörter an

Birgit Lutz erwähnte, dass vermeintlich typisch weibliches Charakterverhalten und feminine Eigenschaften Männern dazu diene Andere sprachlich zu erniedrigen. Man solle sich beispielsweise „nicht so mädchenhaft anstellen“, wenn Dinge nicht den geplanten Verlauf nehmen. Ihr Fazit lautet, dass unsere Gesellschaft Mädchen ihr Selbstvertrauen nimmt und Jungs das Weinen abtrainiert.

Das Schlumpfine-Problem

Jeder Schlumpf hat eine Eigenschaft, ein Talent oder eine Fähigkeit, nur Schlumpfine nicht, sie ist nur Schlumpfine, die auf Stöckelschuhen läuft, lange, blonde Haare hat, eine typische Frau verkörpert.

„Gut, dass Du dabei bist“

Mit diesen Worten wurde Birgit Lutz von einem Mitglied des Expeditionsteams begrüßt: „Ja Birgit, ja es ist gut, dass du dabei bist, weil dann wissen wir ja wer kocht.“ Nach zweimaliger Wiederholung bemerkte Thomas Ulrich, Schweizer Bergsteiger, in Richtung des Sprechers: „Weißt du, nur weil man einen schlechten Witz zweimal macht, wird dieser auch nicht besser.“ Es gibt nach Lutz eben auch viele kompetente Männer, die Frauen dazu ermuntern eine Sache anzupacken, Männer, die was drauf- und keine Angst vor Frauen haben, die Frauen unterstützen.

Kompetenzen

Durch viele Erfahrungen lernte die Expeditionsleiterin gelassen auf unpassende Sprüche zu reagieren. Sie richtete die folgenden Worte an junge Mädchen: ,,Der Mensch, den du am besten kennst und auf den du dich immer verlassen kannst, das bist immer du“.

Wenn Frauen neue Chancen oder ein neues Stellenangebot bekommen, trauen sie sich oft zu wenig zu, obwohl sie die Ressourcen dafür haben. Ansonsten hätten sie die Möglichkeit nicht bekommen. Sie sollten nicht darüber nachdenken, ob sie es hinkriegen, sie sollten es einfach machen, genau wie es Männer machen, motivierte Birgit Lutz.

Wenn Frauen etwas geschafft haben, beispielsweise höhere Führungspositionen erreichen, werden sie oft unsolidarisch gegenüber anderen Frauen. Männer sind in solchen Situationen anders, sie halten zusammen. Frauen sollten sich viel mehr gegenseitig unterstützen. Während des Vortrags machte die Schriftstellerin darauf aufmerksam, dass Frauen und Männer viel voneinander lernen könnten.

Über Birgit Lutz wird oft geschrieben, dass sie das als Frau schaffte, über einen Mann wird so etwas nie geschrieben.

Einige Grundnarrative sollte man zudem überdenken: Laut der Referentin sind starke Frauen nicht nur die, die am Nordpol waren, sondern auch Mütter.

Weil ich eine Frau bin

Die Journalistin ist 50 Jahre alt und in der Oberpfalz aufgewachsen. Sie hätte nicht studieren und nicht aufs Gymnasium gehen sollen, sie würde ja sowieso heiraten. Die Eltern wurden vom Grundschuldirektor überzeugt.

Ihren Beruf als Expeditionsleiterin macht sie sehr gut, es geht nicht um höher, schneller, weiter, es geht um den Spaß an der Expedition. Alle Teilnehmenden sollen sich wohl und aufgehoben fühlen, Konkurrenzkämpfe verweigert sie. Sie sagte nicht, dass sie das schaffe, obwohl sie eine Frau ist sondern, weil sie eine Frau ist.Man sollte sich selbst nicht als Hindernis sehen, nur weil man eine Frau ist.

Die Referentin erlebte als Veränderung bei sich selbst, dass sie jetzt nicht mehr so sehr an sich zweifelt, dass sie sich auch mal zu sagen traut, das hast du gut gemacht. Diese Veränderung lässt Birgit Lutz das Publikum des Wendelsteiner Forums spüren, durch ihre Lebenseinstellung, Zugänglichkeit und positive Ausstrahlung, indem sie Nähe schafft. Mit oberpfälzischem, lebendigem Dialekt brachte sie Zuhörerinnen und Zuhörer zum Lachen und Nachdenken.

Die Forscherin zog ihre ganz eigenen Schlüsse: Frauen und Männer sollten damit aufhören, sich gegenseitig als Konkurrenten zu sehen, sie sollten einander viel mehr unterstützen und voneinander lernen. Beide Geschlechter haben viel Potenzial und können ein Miteinander entwickeln anstelle eines Gegeneinanders.

Am Schluss gab es für das Publikum die Möglichkeit Feedback zu geben, Fragen zu stellen und miteinander zu diskutieren.

Nach dem in Wort und Bild beeindruckenden Vortrag verabschiedete sich Frau Dr. Langenhorst bei Birgit Lutz mit den Worten: ,,Ich möchte mich ganz herzlich bedanken mit einer Sache, für die es wahrscheinlich auf Grönländisch wiederum kein Wort gibt“, und überreichte der mehrfach mit Preisen ausgezeichneten Journalistin einen Schulhonig von den Wendelsteiner Bienen.

Schülerzeitung

Wanda Martinus, 7e